Egon Wellesz: Die Bakchantinnen


2001 / Orfeo
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin / Rundfunkchor Berlin

1938 musste Egon Joseph Wellesz aus seiner österreichischen Heimat nach England fliehen. Wie Gurlitt, Schulhoff, Ullmann und viele andere gehört er zu den durch die Nazis verfemten und später zu Unrecht vergessenen Künstlern, denen die Orfeo-Reihe Musica Rediviva gewidmet ist, und für die Gerd Albrecht insgesamt acht CDs eingespielt hat.

Der Ortswechsel bedeutete eine große Zäsur in Wellesz kompositorischen Schaffen. Fünf Jahre lang schrieb er kein einziges Werk. Und hatte zuvor ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf der Komposition von Bühnenwerken gelegen, so wandte er sich später der Sinfonik und Kammermusik zu. Seine Musiksprache wurde gleichsam intimer und verschlüsselter.

In krassem Gegensatz dazu steht die eindeutige politische Aussage seiner großartigen Oper Die Bakchantinnen von 1930. Auf ein eigenes Libretto komponiert, geht sie auf die Tragödie des klassischen griechischen Dichters Euripides aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. zurück, und Wellesz spricht mit ihr eine klare Warnung vor der Verblendung und Verführung durch Hitler und seine Anhänger aus. Die Triebhaftigkeit von Empfindungen und deren Darstellung in universeller Gültigkeit und Verständlichkeit faszinierte Wellesz in allen seinen Opern, und so verwundert es nicht, dass er seine Sujets in der Antike suchte.

Der Inhalt der Bakchantinnen entspricht dem Drama des Euripides, in dem Dionysos nach Theben kommt, um dort seinen Kult durchzusetzen und seine Mutter zu rächen. Er versetzt die Frauen der Stadt in einen bakchantischen Taumel. In ihrer Verblendung halten sie Pentheus, den König von Theben, für ein wildes Tier und zerfleischen ihn. Musikalisch fand Egon Wellesz u.a. durch seine eingehende Beschäftigung mit byzantinischer Musik zu einer ganz eigenen, sehr kraftvollen, teilweise überwältigenden Ausdrucksform in seinen Opern. Eine Zeitlang war er Schüler Arnold Schönbergs, folgte ihm aber nicht in Richtung Atonalität und Zwölftonkomposition. Vielmehr setzte er Melodie, Harmonie und Rhythmus, die Grundelemente der Musik, in neue Relationen.

Die Uraufführung der Bakchantinnen, deren zwei Akte Wellesz innerhalb von zwei Jahren (zwischen 1928 und 1930) komponierte, dirigierte Clemens Krauss am 20. Juni 1931 in der Wiener Staatsoper. Gerd Albrecht spielte die Oper gemeinsam mit dem Rundfunkchor Berlin, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und Solisten für die 2001 bei Orfeo erschienene CD ein.